Ablesen gibt uns als Redner auf den ersten Blick Sicherheit. Doch das freie Sprechen ist dem weit überlegen. In dieser Folge zeige ich dir die Vor- und Nachteile auf und du erfährst, was du tun kannst. Auch auf die einzige mir bekannte Gefahr des freien Sprechens weise ich hin – und wie du sie umschiffst!
Los geht’s!
Hallo und willkommen zur 15. Folge von zeig dich und sprich. Heute starten wir mit einem neuen Schwerpunktthema: frei sprechen vor anderen Menschen.
Wie schafft man es frei zu sprechen und sich dabei frei zu fühlen? Diese Frage begegnet mir in meiner Arbeit immer wieder. Da sie so essentiell ist und einige Handfertigkeiten (oder sollte ich eher Mundfertigkeiten sagen?) daran hängen, widme ich diesem Thema 3 Folgen.
Danach bist du dran: im Mitmach-Podcast – deine Gedanken und Tipps zum Thema sind wieder willkommen.
Nun aber erst mal zu heutigen Thema:
Am letzten Wochenende war ich auf einer Veranstaltung, wo die Seminarleiterinnen nur einen groben Plan hatten. Sie hatten kein durchgestyltes Konzept. Sie hatten nur einen groben Fahrplan: die Pausen standen fest, sie wussten, wer von den 5 Expertinnen wann dran sein sollte und sie hatten ein paar Stichworte für die Begrüßung dabei.
Mehr nicht.
Ihre Vorbereitung bestand aus einem Meeting gemeinsame Absprache im Vorfeld, eine Stunde früher da sein und sich innerlich selbst in Stimmung bringen und dann gemeinsam Kaffeetrinken und das Leben genießen.
Und dann was denkst du? War es ein gutes Event oder war es ein weniger gutes?
Es war ein ganz wunderbare Konferenz! Ein lebendiges Miteinander. Mehr hat es nicht gebraucht.
Mich hat es daran erinnert, was nicht nur in Seminaren eine wichtig Rolle spielt.
Präsenz ist King! Sie ist der Schlüssel!
Wenn Leute ins Sprechtraining zu mir kommen und ausformulierte Stichwortkonzepte mitbringen, dann wird ein Teil von mir immer ganz traurig. Denn genau dieses Lebendigkeit und Präsenz, die ist mit solchen Stichwortzetteln nicht vorhanden. Die wird eingemauert und klingt nicht durch.
Heute geht es ums Sprechen, ums freie Sprechen und die Frage: braucht es Stichworte? Wie viele? Darf ich Texte ablesen? Wie bereite ich mich denn vor aufs freie Sprechen? Gibt es auch Gefahren dabei?
Wenn du studiert hast, dann kennst du sicherlich den Begriff Vorlesung. Wenn du Pech hattest, dann war es tatsächlich eine Lesung! Wieso Pech?
Nun unser Gehirn liebt gelesene Worte nicht so stark.
Die Vorteile scheinen offensichtlich:
Was sind die Nachteile?
Versteh mich richtig. Lesen hat seine Berechtigung. Ablesen definitiv auch.
Nur: es eignet sich nicht jeder Text dafür, nicht jede Situation bietet sich an und nicht jede Sprechweise ist dafür ideal. Es braucht mehr sprecherisch-schauspielerische Erfahrung einen Lesetext gut zu gestalten als einfach frei zu sprechen. Ehrlich!
Unsere größte Angst sind Füllwörter, Blackout, Versprecher, und vergleichbares. Aber ganz ehrlich.
Unterm Strich ist dies alles für unser Gehirn viel viel besser, auch wenn es nicht so flüssig und elegant klingt. Es ist verständlicher und das mag unser Gehirn als Hörer sehr.
Unser Gehirn liebt frei Gesprochenes: Die Pausen passen, die Melodie passt.
Frei sprechen ist wie …
… ein wilder Fluss, der über Steine springt. Mal tief, mal flach. Er schlängelt sich, fällt ab. Drum herum wachsen verschiedene wilde Pflanzen.
Ablesen dagegen ist wie …
… ein begradigter Kanal. Er ist betoniert, immer gleich. Graue Wände an der Seite. Für den Fahrgast auf dem Boot ziemlich langweilig.
Das andere ist wild, das ist spannend. Da passiert was!
Jetzt muss man sich als Sprecher dieser wilden Natur stellen!
Wenn sie gut gesetzt sind, gut durchdacht und es nur wenige gibt, dann sind sie ideal.
Leider gibt es aber oft zu viele Stichworte. Und zwar viel zu viele. Und dann sind es oft noch die falschen.
Gebeugte Verbformen brauchst du nicht auf deinem Zettel. Die schränken dich später beim Erzählen nur ein – du hast nicht mehr die Wahl, wie du den Satz grammatikalisch bilden willst. Du bist festgelegt.
Stichwörter verhindern vor allem aber eines: Den Gedanken, in dem Moment sprachlich formen, in dem, du ihn denkst. Dieser Prozess des Sprech-Denkens ist das Besondere.
Er gibt dem Hörer Zeit, deine Gedanken zu verdauen. Und er wirkt präsent und stark.
Mit Übung kann jeder lernen, einen Text lesend oder per Stichworte wie ein Schauspieler neu und spannend zu gestalten. Wenn du gerade noch nicht geübt hast, mach es frei und löse dich von deinen Krückstöcken.
Was kannst du tun, um frei zu sprechen?
Trotz aller Pluspunkte fürs freie Sprechen besteht aber eine Gefahr.
Wenn du frei Sprechen liegt, die viel Talent oder Übung darin hast, es eine Wohlfühlsituation für dich ist. Ja, dann könnte die Gefahr darin lauern, dass du zu entspannt, zu lax losquatschst und statt informativ unterwegs zu sein, die Welt mit Nicht-Informationen zumüllst.
Mir begegnen immer wieder Menschen, die reden ohne etwas zu sagen, aber die auch noch glauben, dass sie was zu sagen haben.
Aktuelle Techniken fördern die Qualität schnell mal seine Gedanken mitzuteilen. Mit allen Vorteilen und allen Nachteilen.
Daher: bevor du loslegst mit dem freien Reden. Überlege dir, welche Steine im Fluss deine Reise erleichtern. Wo kannst du rasten und zur Ruh einladen? Und wohin geht es? Was ist dein Ziel?
Eine Struktur bzw. ein roter Faden kann auch oder gerade für diejenigen sehr hilfreich sein, die eh schon einfach mal schnell losreden.
Wer präsent sprechen will und Menschen erreichen, der sollte frei sprechen oder ein gutes Schauspieltraining machen. Wenn dir das zu kompliziert ist, dann kannst du frei sprechen üben.
Spiel mit dem idealen Grad zwischen Vorbereitung und Nicht-Vorbereitung, der dir die meiste Freiheit schenkt! Denn frei soll dein Sprechen sich anfühlen.
Herzlichen Dank fürs dabei sein, auf einen guten Sprechfluss und zeig dich und sprich!
Deine Steffi
Thomas G.
vielen Dank für die tolle Folge.
Bin gerade selbst dabei, einen Podcast zu produzieren und stand vor der Frage ablesen oder frei sprechen :)
Danke!
VG
Steffi Schwarzack
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