Du bist schockiert.
DAS sollst DU sein? So klingst du doch gar nicht.
Nein, diese Aufnahme muss eine technische Störung haben.
Du bist das nicht! So hoch redest du NIE!!
Sicherlich ist dir das auch schon mal so gegangen. Du nimmst dein Sprechen auf – bis dahin alles ok. Aber sobald du dich dann anhörst, kommt der große Schock.
Du klingst definitiv anders als sonst. Das Mikrofon muss ein ganz schlechtes sein. Doch: Wer hat nun recht? Die Aufnahme oder du?
Nun, die Wahrheit schmeckt uns nicht immer süß, doch sie lautet so: Für die Anderen klingst du wie auf der Aufnahme. Das bist DU für die Anderen.
Das ist der Fakt.
Erschrickt dich das? Das kann ich gut verstehen.
Psst. Komm mal näher. Ich verrate dir was: Es geht am Anfang fast allen so! Wirklich. Mir ging es auch so.
Doch stell dir mal vor, wie es sein kann: in Zukunft hörst du eine Aufnahme von dir und – du magst sie! Du magst deine Stimme! Du magst deine Art zu sprechen!
Das ist möglich!
Der erste Schritt dahin heißt: Finde deine Wohlfühlstimme. Finde eine Stimme, mit der du dich innen und außen wohlfühlst. Und damit deine Hörer auch.
Heute zeige ich dir wie:
Du brauchst einen Heimathafen für deine Stimme!
Dieser Heimathafen ist der Teil deiner Stimme, zu dem du immer wieder zurückkehren solltest. Wie ein kleines Kind nach ersten Laufversuchen zu seinen Eltern, wie ein Vogel in sein Nest, wie ein Carsharingauto zu seiner Station. Oder eben wie ein vielseitiger Mensch, der viele Aspekte seines Wesens in seiner Stimme zeigen kann, zu seinem Wesenskern.
So ein Heimathafen ist für dich extrem hilfreich. Denn:
Mit deiner Wohlfühlstimme kannst du dich identifizieren. Es ist der Bereich und die Art deines Stimmklanges, mit dem du dich ganz du selbst fühlst. Hier sagst du: Ja, das bin ich.
Deine Wohlfühlstimme ist der Bereich deiner Stimme, der die meiste Resonanzkraft hat. D.h. dass der Ton aus deiner Kehle positiv in deinem Körper verstärkt wird. Dadurch klingt die Stimme kräftig, wirkt überzeugend und weckt das Vertrauen deiner Hörer.
Es ist stimmschonend, im Bereich deiner Wohlfühlstimme zu sprechen. Daher nutze diesen Bereich vermehrt, wenn du großen Sprechbelastungen und/ oder einer Erkältung ausgesetzt bist.
Du bist eher introvertiert, ruhig, zurückhaltend? Dann kommt hier dein Tipp:
Um Begeisterung und Motivation rüberzubringen, wirst du die ruhigeren Sprechbereiche immer für einige Augenblicke verlassen (müssen).
Für Introvertierte kann es anstrengend sein, in anderen Stimm- und Sprechmustern zu sprechen. Dein stimmlicher Heimathafen ist die (mental) entspannteste Variante zu sprechen und gibt dir die Sicherheit, dahin immer zurückkehren zu können.
Unter Stress und Aufregung schlägt die Stimme gern über. Zittern wird hörbar. Nicht so im Bereich deiner Wohlfühlstimme. Solltest du doch mal ein Zittern spüren, findest du rasch wieder in deinen Wohlklang hinein.
Dein Wohlgefühl beim Sprechen überträgt sich auf deine Hörer. Du fühlst dich wohl – sie fühlen sich wohl. Damit wirkst du authentisch und stimmig auf deine Hörer – sie hören gern zu, da es angenehm (für sie selbst) ist.
Allgemein gilt: Kenne deinen Hafen. Kenne dein stimmliches Zuhause.
So weißt du nach deinen Reisen nach oben oder unten, nach vorn oder hinten, nach laut oder leise, wohin du zurückkehren kannst. Dort findet schnell Regeneration und Wohlgefühl statt, für Hörer und Sprecher.
Eine Wohlfühlstimme ist die Idee von einem Stimmtonbereich und -klang, der für dich als Sprecher entspannt und ohne viel Kraftaufwand zu bilden ist und für deine Hörer angenehm zu folgen.
Der Begriff „Wohlfühlstimme“ bezieht sich nicht auf einen konkreten und absolut messbaren Ton, sondern eher auf einen Tonbereich.
Ziel ist es die Stimme mit dem meisten Wohlgefühl zu bilden. Dies geht dann einher mit einer Entspanntheit der (äußeren) Kehlkopfmuskulatur. (Die innere, also die Stimmlippen/ Stimmbänder beispielsweise, müssen schon „arbeiten“, sonst wäre kein Stimmton zu hören.)
In Fachkreisen gibt es den Begriff „Wohlfühlstimme“ nicht. Da spricht man von mittlerer Sprechtonlage, Indifferenzlage u.ä.. Wenn dich diese Definitionen im Detail interessieren, dann kannst du hier (PDF) und hier nachlesen.
Während meiner Zeit im Ausland habe ich viele Frauenstimmen gehört: hohe und tiefe, weiche, sanfte, schrille oder kratzige. Viele von diesem Frauen sprachen nicht in ihrer Indifferenzlage laut Fachdefinition, aber sehr wohl im Wohlfühlton. Generell konnte ich feststellen, dass der sprecherische Wohlfühlbereich NICHT der physiologischen Indifferenzlage entsprechen muss. Eine Brasilianerin spricht also beispielsweise höher und melodiöser in ihrer Muttersprache, als wenn sie Deutsch spricht, und dennoch klingt es gut und ist (relativ) entspannt für sie.
Ich kann selbst bei mir immer wieder erleben, wie ich in verschiedenen Sprachen, anders spreche. In der Regel (im Spanischen und Brasilianischen) höher und melodiöser als im Deutschen. Probleme mit der Stimme konnte ich weder bei mir noch bei meinen brasilianischen Freunden beobachten, obwohl sie oberhalb des Bereiches sprachen, der in der deutschen Fachsprache als „Indifferenzlage“ beschrieben wird. Die Indifferenzlage beschreibt also eine physiologischen Vorgang. Die Psyche, dein Wohlfühlen, wird dabei außer Acht gelassen.
Wohlfühlstimme beinhaltet beides. Körper und Seele. Denn:
Du musst dich mit dem, was du von dir selbst hörst, wohl fühlen. Nur dann kann dir deine Wohlfühlstimme ein Heimathafen sein!
Das ist mir für die Arbeit sehr wichtig.
Du weißt nun, was mit Wohlfühlstimme gemeint ist und warum sie für dich wichtig sein kann.
Wie findest du sie nun?!
Im Wort selbst stecken für mich drei logische Schritte drinnen.
Bringe WOHLfühlen in deinen Körper.
Dein Körper ist beim Sprechen immer auch Klangkörper. Jede muskuläre Verspannung kann sich auf die Stimme und ihren Klang auswirken.
Um die Stimme zu finden, mit der du dich rundum wohl fühlst, brauchst du die Zuarbeit deines Körpers. Je entspannter du all die Muskeln im Körper lassen kannst, die du gerade nicht zum Stehen und Sprechen brauchst, desto besser.
Hier meine Lieblingsübung für einen bewusst entspannten Klangkörper. Sie ist einfach, aber die simpelsten haben es oft in sich. Probier mal!
So wie du gerade sitzt oder stehst oder liegst, bleibe. Nun beginne, in jeden Teil deines Körpers hinein zu fühlen und dich zu fragen:
Lass dir ausreichend Zeit pro Körperteil – mindestens 3 Atemzüge lang, gerne mehr.
Nimm wahr:
Ziel der Übung bis hier: Wahrnehmen von Spannung und Entspannung im Körper. Wahrnehmen ohne Bewertung oder Änderungswille.
Erst wenn du von Fuß bis Kopf mit deiner Wahrnehmung durch deinen Körper gereist bist, beginne deinen Atem bewusst zu den verspannten Stellen zu schicken und mit jedem Ausatem die Spannung ein Stück mehr loszulassen.
Verändere deine Körperhaltung so minimal, dass es für dich entspannter anfühlt. Manchmal genügen ein paar Millimeter. Ein paar Millimeter mehr in den Knien nachgeben. Ein paar mehr die Schultern sinken lassen. usw.
Ziel des 2. Teils der Übung: überflüssige Spannungen durch Atem bzw. muskulären Veränderung bewusst loslassen.
Wiederhole diese Körperreise, die manchmal auch als Bodyscan bezeichnet wird, jeden Tag immer dann, wenn du irgendwo warten musst. An einer Kasse, in der Warteschleife einer Hotline, die Minute bevor der Kunde bei Skype zum Gespräch auftaucht. Mach es dir zur Gewohnheit, immer wieder zu erspüren: wo hast du ein „Zuviel“ an Spannung im Körper? Wo fühlt es sich dafür optimal an?
Fühlen – außen und innen – ist der 2. Schritt zur Wohlfühlstimme. Fühlen fasse ich hier weiter. Es geht um Wahrnehmung. Um Hören und Fühlen zusammen.
Die Entwicklung der Haut und die des Ohres machen in den ersten Schwangerschaftswochen eine gemeinsame Geschichte beim Embryo durch. Hören und Fühlen liegen sehr nah beieinander. In den folgenden Übungen kannst du es ausprobieren:
Hör dir deine eigenen Aufnahmen an. Aber Achtung. Bewertungen haben hier keinen Platz. Höre fühlend und mitfühlend mit dir.
Spüre mehr und nimm wahr: wie sprichst du? Was magst du an deiner Art zu sprechen? Wo sind deine Stärken?
Frag dich erst, wenn du diese Antworten hast: Was fällt dir noch auf? Was stört dich? Was magst du weniger? Fühlend und mitfühlend bitte!
Wiederhole diese Übung mindestens an 7 Tagen. Nimm wahr: verändert sich deine Art, Aufnahmen zu machen? Wie verändert sich die Wahrnehmung deiner Stimme?
Summe und töne mit deiner Stimme, z.B. Laute wie /m/ /a/ /o/ oder welche dir Freude bereiten.
Lege dann deine Hände auf deine Kehle und spüre: wie fühlt sich deine Stimme an? Wie fühlt sich der Klang an? Lass dir dafür ganz viel Zeit.
Dann erst verändere die Position deiner Hände. Lege sie auf deinen Nacken, deinen Hinterkopf, dein Brustbein, deine Stirn, deine Wangen … Lass dir jeweils Zeit und nimm wahr: Wie fühlst du dich? Wie fühlt sich deine Stimme an? Was kannst du wahrnehmen?
Verändere die Tonalität deiner Stimme: töne mal höher, mal tiefer, mal lauter, mal leiser usw. und spüre dabei: Wann fühlt es sich entspannt und resonanzreich an?
Hier kommen nun die eigentlichen Übungen zum Finden der Wohlfühlstimme. Übungen, die du auch findest, wenn du nach Übungen zur mittlere Sprechstimmlage suchst. Ich selbst finde es wichtig, diese anderen Übungen davor zu stellen.
Stell dir vor, du bist auf einer Party und ein sehr interessanter Gesprächspartner erzählt dir von seinem Berufsfeld.
Prüfe: fühlt sich dieser Tonbereich wohlig für mich an? Klingt meine Stimme hier kräftig, entspannt, resonanzreich?
Ja? Dann hast du deine Methode gefunden. Nein? Dann teste folgende Möglichkeit.
Erinnerst du dich an deine Kindertage, wie du ein Pferdeschnauben nachgemacht hast?
In der Stimmarbeit ist das auch eine Übung. Sie heißt (bei mir) Lippenflattern. Was musst du tun?
Lass die Ausatemluft durch deine leicht geschlossenen Lippen durchströmen und versetz diese dabei in Schwingung. Dabei tönst du jetzt mit deiner Stimme. Stell dir einen Wasserfall vor. Du flatterst mit deinen Lippen und das Wasser fließt in deiner Vorstellung von oben nach unten.
Beobachte dabei: wo ist der Tonbereich, an dem sich deine Stimme am angenehmsten und leichtesten bilden lässt? Bleibe dann bei diesem Bereich und flattere dort eine Weile.
Komme später vom Flattern ins Summen auf /hm/, dann ins Silbensprechen z.B. auf /mo/ /ma/ /mi/, hin zum Sprechen ganzer Worte z.B. /meine meise mirabella/.
Mache wieder Aufnahmen und vergleiche: Wie fühlst sich deine Stimme an? Wie klingt sie für dich? Gibt es Unterschiede im Fühlen und Hören?
Wenn dir diese Übungen nicht reichen, dann findest du weitere Übungen zum Finden der eigenen Indifferenzlage bzw. mittleren Sprechstimmlage hier und hier (keine Affiliate Links).
Du merkst sicher schon, dass die Übungen allein noch nicht machen, dass du im Alltag – womöglich unter Stress – automatisch deine Wohlfühlstimme abrufen kannst.
Wie bei jedem (Muskel-)Training gilt:
Die Übung zu kennen, hilft dir nicht. Dein Körper muss die muskuläre Koordination verinnerlicht haben, so dass du diese neuen Stimmmuster (auch unter Stress) abrufen kannst.
Die Übung einmal zu machen, ist dafür auch nicht genug.
Mache jede dieser Übungen mindestens eine Woche lang täglich, um erste Resultate zu spüren.
Du hast deine Wohlfühlstimme für dich in Übungen entdeckt?
Prima. Dann heißt dein nächster Schritt: Komme in deinem Alltag immer wieder auf deinen stimmlichen Heimathafen zurück.
Dieses Stimmmuster in Übungen abrufen zu können, reicht noch nicht aus, dass es sich für dich normal anfühlt und sich automatisiert (unter Stress) abrufen lässt.
Daher musst du dir Situationen schaffen, wo du dies anwenden kannst. Hier meine heutigen fünf Ideen, was du damit als Nächstes machen kannst:
Nimm ein Video auf zwei Arten auf und teste die Wirkung vor einem Wunschkundenpublikum. Sprich wie bisher und sprich in Wohlfühlstimme. Lass dir Feedback geben. Was wirkt wie auf deine potentiellen Kunden?
Telefoniere mit einem Kunden und sprich den Gesprächsanfang bewusst in Wohlfühlstimme!
Sprich den Eröffnungssatz beim nächsten Vortrag/ Webinar in Wohlfühlstimme.
Bei der nächsten Erkältung sprich bewusst in Wohlfühlstimme (oder mache Stimmruhe).
Achte bei deinem nächsten Kundengespräch darauf, mindestens 3 x bewusst in Wohlfühlstimme zu antworten.
Du magst deine Stimme auf Aufnahmen bisher selbst nicht? Keine Sorge, du weißt inzwischen, dass es den meisten Menschen zunächst so geht. Du weißt auch, was du selbst tun kannst, um zu deiner Wohlfühlstimme zu finden. Stell dir vor, du hörst dir deine nächste Aufnahme an und denkst: „toll, ich klinge toll!“
Du bist nur drei Schritte entfernt: Finde deine Wohl-fühl-stimme!
Und jetzt bist du dran!
Zeig dich und sprich!
Ich freue mich über deinen Kommentar hier oder per Email!
Steffi
Was denkst du?