Sind Männer die besseren Redner?
Wenn man sich auf deutschen Rednerbühnen umschaut, so könnte man diesen Eindruck bekommen. Selten gibt es einen Speakerinnenanteil über 20 %!
Woran um Himmels willen liegt das? An mehr Talent? An Vorurteilen? Am Mindset?
In dieser Folge finden wir es raus und schauen gemeinsam auf mögliche Lösungen:
Netzwerke und Plattformen, um Sprechinnen zu finden oder sich selbst eintragen zu lassen:
http://www.women-speaker-foundation.de/
Der Anteil von Frauen auf Konferenzen
wird hier schön dokumentiert: http://50prozent.speakerinnen.org/
wurde in dieser Studie untersucht:
im Originalartikel http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0049682
im der deutschen Variante: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/studie-entlarvt-geschlechter-vorurteile-bei-primatenforschern-a-868545.html
Gender oder Sex? Was ist angeboren oder anerzogen im Verhalten von Mann und Frau? Der norwegische Soziologe und Komiker Harald Eia zeigt es in seiner Dokumentarfilmreihe Brainwash. Hier findest du den Überblick über alle Filme und die Links zu ihnen.
Berühmte Reden dieser Welt im Überblick und nur eine Frau unter ihnen - das darf sich ändern!
Willkommen bei „Zeigt dich und sprich“. Die erste Folge in diesem neuen Jahr.
Das Jahr ist jetzt schon ein paar Tage, ein paar Wochen alt. Ich habe es nicht auf die Reihe gekriegt diese Folge zu produzieren. Das hatte viele Gründe.
Einer, der hier jetzt wirklich relevant ist, ist der, dass ich tatsächlich über diesem Thema innerlich noch gebrütet habe.
Ich hatte im Dezember vergangenen Jahres ein paar Newsletter bekommen. Newsletter, die mich eingeladen haben zu einer großen Rednernacht.
Als ich diesen Newsletter las, war ich einfach nur schockiert.
Ich weiß nicht, warum es mich so erwischt hat, weil es gar nichts Neues ist, aber ich war dennoch richtig schockiert.
Ich las nämlich die Rednerliste durch, weil ich das aus beruflichem Interesse mache.
Plötzlich dachte ich: "Mist, da läuft irgendwas richtig schief."
In der ersten E-Mail waren von den zehn Rednern, die da angekündigt waren: tata - eine Frau. EINE!
In der zweiten E-Mail sprach man dann schon von 11 Leuten. Da war sogar eine zweite Frau dabei. Aber den Prozentsatz hat es irgendwie nicht richtig gravierend nach oben geschoben.
Ich habe zum ersten Mal wirklich ganz bewusst in diesem Moment begriffen, da gibt es ein riesiges Ungleichgewicht. Weil, wenn wir uns mal umgucken, wer sind denn die Speaker, die auf Bühnen gehen auf so Rednernächten? Das sind alles Leute, die sich Trainer, Berater, Coach in irgendeiner Form nennen.
Wenn du dich bei den Verbänden umschaust, die Training und Coaching anbieten oder bei solchen Plattformen. Dann hast du immer ein Ungleichgewicht zugunsten der Frauen. Es gibt da mehr weibliche Mitglieder. Also z.B. beim DVCT, dem Deutschen Verband für Coaching und Training, sind 58 Prozent der Mitglieder Frauen und 42 Prozent sind dann Männer.
Oder auch in der Coach-Datenbank bei Christopher Rauen, da findest du mehr Einträge für Frauen und weniger Einträge für männliche Coaches.
Okay, das kann man jetzt nicht eins und eins gleichsetzen. Aber dennoch reden wir hier von Zahlen, die sich irgendwie zwischen 40 bis 60 Prozent bewegen und nicht bei Zahlen, die sich genau andersherum bewegen, 80 bis 90 Prozent Männer und 10 bis 20 Prozent, wenn überhaupt Frauen.
Mich hat das alles sehr bewegt, zum Nachdenken gebracht und ich möchte dir meine Gedanken hier in dieser Folge teilen.
Als allererstes tatsächlich die Frage teilen: Sind denn Männer wirklich die besseren Redner?
Vielleicht gibt es einen Grund, dass das so alles so ist, wie oben beschrieben.
Fangen wir mal Teil 1 an. Ich möchte nämlich hier ein bisschen mit dir reden, was sind die Fakten? Was stelle ich mir vor? Was ist mein Wunsch, mein Szenario, mein Ziel, meine Vision? Als drittes dann, was können wir denn tun? Was wäre eine Lösung?
Ich freue mich, wenn du hier zuhörst, auch wenn du ein Mann bist. Was ich überhaupt nicht will und es ist eine Rolle, in der ich mich überhaupt nicht sehe, ist tatsächlich so ein Spiel, Männer gegen Frauen und Frauen gegen Männer. Darum geht's überhaupt nicht für mich. Also dieses moderne Thema "Mädchen gegen Jungs", was du in manchem Kinofilm oder so findest, das ist nicht, worum es hier geht.
Hier geht es um andere Dinge.
Lass uns die mal gemeinsam anschauen.
Also schön, wenn du eine Frau bist, wenn du ein Mann bist, wenn du hier zuhörst.
Vielleicht kennst du noch die Teamauswahl für Spiele im Sportunterricht? Kennst du das, dass man so auf den Bänken sitzt? Zwei dürfen ihre Teams auswählen und da wird man so nach und nach aufgerufen.
Wenn du zu den beliebtesten gehört hast, dann wurdest du ganz schnell ausgesucht und dann vielleicht, wenn du zu den sportlichen zähltest.
Dann danach und wenn du ein bisschen weniger sportlich warst und ein bisschen weniger beliebt, wurdest du ein bisschen später ausgesucht. Am Ende werden dann die Außenseiter noch verteilt.
Hm, vielleicht kennst du diese Situation?
Vielleicht kennst du die sogar von der Außenseiterposition?
Ich habe das ausgesucht als Beispiel, weil genau das der Fall ist, was auf deutschen Rednerbühnen, auf großen Rednerbühnen (teilweise) abgeht.
Bist du männlich, weiß, heterosexuell, dann wirst du auf die Bühne geladen.
Das ist sicherlich total übertrieben.
Aber das ist ein Mechanismus, der nach wie vor noch funktioniert, in dem wir nach wie vor noch denken und ich schließe mich damit ein.
Es gibt nämlich ein Schema, wonach Redner ausgewählt werden.
Wie gesagt, das gilt sicher nicht überall, aber es gibt eins, was oft wirkt. Ich möchte das hier darstellen. Es gibt andere Beispiele, es gibt ganz tolle Beispiele.
Aber lass mich dieses Schema mal mit einer Forschung erklären. Diese Forschung, die wurde gemacht in der University of California Davids und das Team, was aus Frauen und Männern besteht (!), hat sich mit Konferenzen beschäftigt, die im Bereich der Primatenforschung gehalten werden.
Normalerweise gibt es in wissenschaftlichen Fächern mehr Männer. Also gibt es logischerweise auch bei den Konferenzen mehr Männer, die dann dort ihre Vorträge halten.
Bei der Primatenforschung gibt es aber sehr viel mehr weibliche Forscherinnen. Das äußert sich auch darin dass unter den 11 Präsidenten der Amerikanischen Gesellschaft für Primatenforschung 6 Frauen sind. Wunderbar.
ABER: Die Forscher haben sich die Jahrestreffen des Verbandes angeschaut und beobachtet: wer hält denn da die Vorträge?
Sie haben das eingeteilt in lange und kurze Vorträge und einfache, kurze Portfolio-Präsentationen, die man sich einfach nur visuell anschauen kann. Und sie haben geschaut, wie hoch ist der Anteil der Frauen?
Ergebnis:
Wenn Männer- und Frauen-Teams die Konferenz organisieren, dann waren bei diesen langen Vorträgen 58 Prozent Frauen, die diese großen Vorträge gehalten haben.
Über die Hälfte, was das Verhältnis von Männer und Frauen in diesem Forschungszweig widerspiegelt.
Wenn aber nur Männer die Konferenz organisiert haben, haben sie festgestellt, huch, plötzlich waren es nur noch 29 Prozent Frauen, die da die wichtigen langen Vorträge gehalten haben.
Also nur noch die Hälfte!!!
Wenn nur Frauen das Event organisiert haben, das muss man fairerweise dazu sagen, waren es etwas mehr Frauen, die die langen Vorträge gehalten haben, also 64 Prozent. Aber sie sind wie gesagt in diesem Fachbereich sowieso in der Mehrheit, auch das ist noch repräsentativ.
Was heißt das?
Das heißt Männer laden eher Männer zu Vorträgen ein.
Frauen tendenziell sicherlich auch ein paar mehr Frauen.
Wir laden immer Leute ein, die uns ähnlich sind.
Das hat was mit dem Rapport zu tun, wenn du dieses Konzept kennst.
Männer werden vermutlich als kompetenter eingeschätzt, haben die Forscher dann geschlussfolgert. Aber das ist eine These, die Fakten zeigen nicht die Gründe, nur dass es so ist.
Wenn ich mich auf den deutschen Rednerbühnen teilweise umgucke und schaue, was sind denn da für Teams dahinter?, dann muss ich feststellen, ja, das stimmt in vielen Fällen.
Es stimmt nicht in allen Fällen. Da bin ich total froh darüber.
Wenn du gerade eine Konferenz organisierst und du machst es anders, dann freue ich mich, dann schreib das in die Kommentare.
Lass uns diese tollen Beispiele sammeln.
Es gibt auch andere Fälle.
Es gibt natürlich TED. TED ist sehr politisch korrekt und achtet da auf ein ausgewogenes Verhältnis. Man findet da unter den 25 beliebtesten Talks, 10 Rednerinnen. Ich habe leider keine Statistik gefunden, die mir die tatsächlichen Daten widerspiegelt. Wer beliebt ist, das kann natürlich beeinflusst werden der politischen Korrektheit wegen. Das müsste man tatsächlich wirklich mal erforschen wie das ist.
Wenn du bei TEDx Deutschland guckst, z.B. bei TEDx Stuttgart voriges Jahr, 2017, findest du von 9 Sprechern 3 Frauen. Das ist schon mal ein anderes Verhältnis.
Du findest in München bei einem TEDx Meeting, was jetzt hier auch im Herbst war, 10 männliche Sprecher, 2 Sprecherinnen und zwei gemischte Teams. Also ein leicht anderes Verhältnis.
Aber das Verhältnis ist so gut wie nie andersherum. Nie 6 Frauen, 3 Männer oder so. Und wäre das besser?
Das mal so als das, was von den Daten her jetzt für mich erstmal ersichtlich war.
Die Frage ist jetzt auch noch: Gibt es vielleicht einen Grund? Sind Männer vielleicht die besseren Redner?
Es gibt jetzt nicht die eine Studie, die mir auf jeglicher Ebene genau das beantwortet, aber es gibt eine Studie, die das versucht hat zu beantworten.
Die hat auch diese Frage aufgenommen gehabt.
Es ist eine Studie am Queen Margarete University College. Die habe sich gefragt: Sind Männer die besseren Redner?
Nun, ihre Antwort: nein!
Aus folgendem Grund: Männer machen mehr Redeflussunterbrechungen mit dem sogenannten Ähm. Männer haben weit häufiger Ähm gesagt als die Frauen.
Das hat man dann gleichgesetzt mit "ein guter Sprecher Sein". Gut sprechen ist natürlich sehr viel mehr als ein Ähm zu machen oder nicht. Das einfach so am Rande fairerweise gesagt.
Aber wenn du es jetzt mal darauf beziehen möchtest, dann sind Männer laut dieser Studie schon mal nicht die besseren Redner. Sondern Frauen.
Das sind sie auch nicht, wenn du dir anguckst wie die Redefähigkeit von Jungen und Mädchen bis zu einem gewissen Alter ist. Da sind sie nicht besser.
Das dreht sich erst ab der Pubertät oder noch ein bisschen später um.
Da ist die große Frage: Warum?
Sind es angeborene oder sind es anerzogene Sachen?
Es gibt auch da für mich keine richtige Antwort und keine alles umfassende Antwort.
Es gibt aber diese spannende Dokumentation von dem norwegischen Komiker und Soziologen Harald Eia, der eine Dokumentarfilmreihe im Jahr 2011 gemacht hat. Ich verlinke mal einen Link.
Gefunden habe ich das vor einiger Zeit auf Reddit. Sehr spannend.
Und Eia hat das Ganze genannt „Brainwash“, Gehirnwäsche. Auf Norwegisch, das kann ich nicht aussprechen. Ich schreibe es dir in die Shownotes rein.
Der hat gefragt: Sind viele der Dinge, die wir annehmen, dass sie anerzogen sind und durch die Kultur oder Gesellschaft beeinflusst seien, nun, sind die wirklich beeinflusst oder nicht doch angeborene Präferenzen?
Dabei hat er solche Sachen erforscht wie Homosexualität, Gewalt, Rasse, Sex und andere Dinge. Einer der Filme aus der Reihe handelt von Sex und Gender. Männer- und Frauenbilder, die wir in der Gesellschaft haben. Rollen, die wir einnehmen.
Es ist ganz spannend da mal rein zu gucken. Das möchte ich dir einfach an dieser Stelle sagen.
Das Frauen teilweise andere sprachliche Ausdrücke verwenden, dies wissen wir schon seit den 70er Jahren. Da gab es diesen Riesenzweig an Gender-spezifischer Sprachforschung und man hat unter anderem festgestellt, dass Frauen sehr viel mehr Verniedlichungs- und Verkleinerungsformen benutzen.
Aber auch das ist kulturell abhängig. Für mich war das sehr befreiend, in der spanischsprachigen Kultur zu Hause und unterwegs zu sein, denn da darf man auch solche Verkleinerungsformen benutzen, egal ob Mann oder Frau. -ito oder -illo, was alles kleiner macht. Das entspricht den -chen oder -lein im Deutschen.
Also so was wie "Mädchen" oder "ach, was für ein süßen Pulloverchen hast du da an" oder sowas. Das wäre eine typische Frauensprache.
Auch dass man mehr "vielleicht" und "eigentlich" und solche Füllwörter einbaut. Das weiß man in der Zwischenzeit. Und auch das ist vermutlich eher nichts Angeborenes in dem Fall.
Gut, das ist einfach so am Rande, aber das begründet nicht, warum man nicht auf einer Bühne oder warum Frau nicht auf einer Bühne stehen kann genauso wie ein Mann.
Die große Frage ist jetzt nochmal: Was ist jetzt noch? Was sind die Fakten?
Ich möchte aber auch ein bisschen gucken, was war denn eigentlich?
Wenn du mal eingibst - und da danke ich den Anregungen bei uns in der Facebook-Gruppe - was gibt es denn für legendäre Reden weltweit, findest du unter einer ganzen Horde von Männern auch nur eine Frau, die da genannt wird.
Nur eine Frau!
Die große Frage ist natürlich: Warum?
Ich habe für mich 3 Sachen herausgefunden, warum?
Das eine ist tatsächlich, dass Männer im Durchschnitt mehr Zeit haben sich um diese Art von Karriere zu kümmern. Es braucht Zeit, ziemlich viel Arbeit und ziemlich viel zu ackern, um eine Speaker-Karriere an den Tag zu legen.
Wenn man als Frau auch Kinder hat und den klassischen Rollen auch nur zu einem gewissen Prozentsatz verfallen ist, dann hat man weniger Zeit.
Das erklärt ein bisschen meine Beobachtung.
Von all den Frauen, die auf der Bühne stehen, gibt es sehr wenige, die gerade kleine Kinder haben - meine Beobachtung.
Es gibt einige von denen, die die Rampensau in sich entdeckt haben, nachdem die Kinder aus dem Haus waren, nachdem die Kinder groß waren.
Es gibt ein paar wenige Paradebeispiele, die noch keine Kinder haben.
Natürlich wird es auch Frauen geben, die Kinder haben und es freut mich sehr.
Aber diese klassische Rollenverteilung ist in der Praxis eben (noch) aktiv.
Stell dir vor du bereitest eine Rede vor und irgendwie ist auch der Hausputz dran?
Irgendwann muss man den machen ok, man kann es auch an jemanden abgeben, aber wer organisiert zum Beispiel die Putzfrau? Ist es die Frau oder ist es der Mann in der Partnerschaft?
Das sind so Sachen, die da auf jeden Fall schon mal mit reinspielen.
Weniger Zeit.
Wie sieht es mit Geld aus? Männer wählen eine andere berufliche Karriere als Frauen immer noch. Und zwar Berufsfelder, wo man von Natur aus oder von der Gegebenheit der Gesellschaft her mehr Geld verdienen kann. Wenn sie einmal mehr Geld verdient haben, ist es leichter wieder zu investieren in Ausbildungen, in Weiterbildungen, in Präsentationstrainings zum Beispiel oder auch in Reden.
Um auf manchen Bühnen zu stehen, muss man auch einen Beitrag bezahlen. Man steht nicht dort und bekommt das Geld. Man zahlt dafür, um dort zu sein. Das ist ein Geschäftsmodell.
Oder um in Speaker-Verbänden aufzutauchen oder so.
Männer haben möglicherweise mehr Geld, dies zu tun und möglicherweise sind sie aber auch eher bereit da in diesem Feld in sich zu investieren.
Der 3. Punkt, der mir da eingefallen ist, was auch noch ein Stück wirklich wichtig ist, ist glaube ich tatsächlich, dass Männer mehr Vorbilder haben. In den 70er Jahren durfte die Frau, erstmals 1977, wie ich jetzt nachgeschlagen habe, ohne die Erlaubnis eines Mannes arbeiten.
Da war noch lange nicht die Rede von: ich bin Vorstandsvorsitzende und leite die Meetings immer oder stehe immer auf der Bühne vor den anderen. Sondern da ging‘s erstmal um Arbeiten.
Das ist also 40 - 50 Jahre her, dass die Frauen angefangen haben damit.
Damals haben auch dann noch nicht alle gearbeitet. Das heißt unsere Elterngeneration hat möglicherweise noch nicht, die Frauen, die Mütter noch nicht gearbeitet.
Das Problem ist, bei mir zum Beispiel, meine Mutter hat gearbeitet, aber die meines Mannes nicht. Der hat auch Rollenbilder im Kopf und die trägt er mit in unsere Beziehung rein. Das macht was mit der ganzen Interaktion von Rollen, die einfach auch eine Rolle spielen.
Das macht was mit den Männern, die die Frauen nicht auf die Bühne einladen, obwohl sie das organisieren und sagen, ich habe zwar da irgendwie eine tolle Astronautin an der Hand, aber da nehme ich lieber meinen Kumpel um die Ecke, weil der irgendwie mir vertrauter ist oder weil ich dem mehr Kompetenz zuschreibe, weil ich das gewohnt bin.
Das sind ganz unbewusste Mechanismen.
Das heißt diese Vorbilder, das ist so wichtig und das gibt es aber erst seit kurzem, könnte man vielleicht sagen. Erst im Jahre 2004, das ist um die Ecke greifbar, gab es die erste Frau in einem Vorstand in einem DAX-Unternehmen unter den Top 30 DAX-Unternehmen. Karin Dorrepaal, eine Niederländerin, die auch wenige kennen.
Ich musste erst dafür recherchieren, um wirklich ihren Namen zum ersten Mal bewusst zu hören.
Das sind einfach so Sachen, die einfach ein Fall sind.
Das heißt wir sehen wenige Frauen auf der Bühne und deswegen gehen auch weniger Frauen auf die Bühne.
Eine Sache, die bestimmt auch noch mit da reinspielt, sind Verhaltensmuster, die teilweise auch angeboren, teilweise anerzogen sind. Das ist wahrscheinlich wieder eine Mischung aus beidem.
Männer sprechen einfach mal mit einer tieferen Stimme als Frauen. Da gibt es viele Forschungen dazu, die festgestellt haben, tiefere Stimmen wirken kompetenter, selbstsicherer, wirken vertrauenseinflößender für andere.
Das heißt diese unbewusste Komponente des Stimmklanges kann Einfluss nehmen.
Inzwischen ist es so, dass die Stimmen von Frauen in den letzten 10, 20 Jahren extrem gesunken sind. Vielleicht um dem Ganzen eine Antwort zu geben, vielleicht durch die veränderten Rollenbilder. Man ist sich nicht ganz sicher. Man weiß nur, dass es so ist.
Aber sie sind immer noch höher. Wenn ein bisschen Nervosität und Aufregung dazukommt, neigen Frauenstimmen tendenziell mehr dazu über eine Höhe zu gehen als über eine Tiefe.
Das kann mit reinspielen.
Auch das Verhalten in der Körpersprache. Wie groß sitzt ein Mann irgendwo in der Besprechung und Frauen mit Kleidung, mit Rollenverhalten auch, um weiblich zu wirken, haben eine andere Körpersprache, die was anderes signalisiert.
Das ist ein großes Thema für sich. Da werde ich eine extra Folge dazu machen, eine extra Podcast-Folge, weil es auch so spannend ist wie wir Status, also Macht, symbolisieren, zeigen, mit Körpersprache oder auch nicht.
Wenn du einfach mal die Fakten anguckst, dann ist es so, dass eigentlich mehr Frauen die Grundvoraussetzung von der Bildung her mitbringen. Mehr Frauen haben einen Hochschulabschluss, haben die Hochschulreife. Also die liegen zwar in den Ausbildungen nicht hinten, sondern eher vorne. Aber ich glaube, wir alle haben eine gewisse Erwartung an eine Art von Bühnen-Performance und erwarten da auch ein bisschen männliches Verhalten, ein Stück Dominanz, Selbstsicherheit, Autorität, Ausstrahlung und so weiter.
Das ist leichter mit einem gewissen körpersprachlichen Verhalten bzw. es geht damit Hand in Hand von unseren Erwartungen her.
Zusammengefasst: Es ist wahrscheinlich so aufgrund der Daten, die ich gesehen habe, dass es mehr Männer auf den Bühnen gibt, egal jetzt, ob bei Konferenzen oder bei eher Marketing-mäßigen Verkaufsveranstaltungen.
Das hat möglicherweise Ursachen darin, dass Männer mehr Geld, mehr Zeit, mehr Vorbilder haben.
Das liegt an unseren gemeinsamen Erwartungshaltungen. An ganz vielen unbewussten Prozessen auch.
Die Frage, die für mich daraus sich ableitet, ist tatsächlich, was ist jetzt das Beste, was ist die Alternative oder was ist die Lösung? Was ist das Ziel?
Da möchte ich mit mir ein bisschen über meinen Traum reden.
Ist es eine Quoteneinführung auf Rednerbühnen?
Braucht man eine Frauenquote auf der Rednerbühne? Braucht man eine Art Antidiskriminierungsgesetz für die Rednerbühne?
Definitiv nicht.
Soviel kann ich schon mal sagen.
Ich bin kein Fan von solchen Maßnahmen. Weder in Vorstandsetagen noch auf Bühnen.
Wie man dahin kommt, das gucken wir im nächsten Schritt an. Ich kann dir nur sagen, mein großer Traum ist tatsächlich, auch nicht mehr Frauen als Männer auf die Bühne zu holen, sondern:
Diversity. Vielfalt.
Ich möchte gerne mehr Vielfalt auf Rednerbühnen erleben.
Vielfalt bezieht sich auf das Geschlecht, auf die Rasse, auf den kulturellen Hintergrund. Gerne auch auf das Bildungsniveau. Vor allem aber auch auf die Art und Weise. Immer wieder die gleichen geleckten, gegelten Motivationstrainer zu erleben, das ist langweilig.
Es ist vor allem langweilig, weil es spürbar wird, dass fast jede dieser vermeintlichen Emotionserzeugungen eigentlich eine Rolle ist. Weil so wenig irgendwie echt ist.
Das macht es für mich langweilig.
Ich möchte mehr echte Einzigartigkeit erleben in ihrer Vielfalt, in der Art und Weise, wie man eine Präsentation hält. Da gibt es so unterschiedliche Sachen, die möglich sind.
Ich glaube es geht darum, dass jeder seinen eigenen Ausdruck findet und es aber auch tut.
Nicht aufgrund von irgendwelchen Situationen, die uns beschränken, wie ich im ersten Teil erläutert habe, es eben nicht tut.
Deswegen komme ich jetzt zum 3. Teil, nämlich zu der Frage: Wie kann es denn gehen?
Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung, wie es gehen kann. Ich weiß es nicht.
Ich glaube, es gibt ganz viele Wege und die Mischung, die macht's wahrscheinlich.
Aber ich kann dir leider kein Rezept geben.
Ich möchte gerne dahin. Also ich möchte das gerne selber alles durchlaufen, um dir sagen zu können, wie es geht.
Ich kann es heute noch nicht.
Ich habe aber gesehen, es gibt mehrere Dinge, die wir beachten müssen.
1. Das erste ist, ein Weg kann sein, nämlich die Fakten wirklich auf den Tisch zu legen und zwar Männer und Frauen darauf aufmerksam zu machen, was die Situation gerade ist. Und zwar ohne diesen schimpfenden erhobenen Zeigefinger, sondern einfach sagen: So ist es Leute. Seid wachsam, was ihr da tut.
2. Das Zweite ist, dass man dann selbst sensibel und wachsam ist, wenn man in solchen Bereichen arbeitet., wenn man Rednernächte oder Konferenzen organisiert. Und zwar wachsam gegenüber den eigenen Urteilen und Vorurteilen zu sein, die da ganz unbewusst ablaufen, ganz unbewusste Programme.
3. Und als drittes glaube ich tatsächlich, dass man als Frau nicht darauf warten darf, dass uns ein Plätzchen angeboten wird am Tisch. Sondern das ist in unserer Verantwortung zu sagen: Ich nehme mir diesen Platz selber. Es gelingt der ein oder anderen besser, weil sie vielleicht extrovertiert sind oder weil sie die Nase so voll haben, dass die Wut ein guter Antreiber ist oder weil sie sich irgendwann nicht mehr darum scheren, was andere von ihnen denken und so weiter. Ich glaube aber, wenn du die Frage hast, ist es eine Hol- oder eine Bringschuld, es wird uns niemals serviert werden. Keiner, der jemals etwas hatte, das ist ein psychologisches Phänomen, ist bereit es wegzugeben. Wenn du bisher die Rechte, die alleinigen Nutzungsrechte eines Autos hattest, dann wirst du es nicht teilen wollen. Wenn du die alleinigen Nutzungsrechte einer Bühne hattest, wirst du es auch nicht teilen wollen. Es geht darum einfach hinzugehen und zu sagen: Ich möchte ein Stück. An diesem Tisch möchte ich Platz nehmen. Ich will auch Kuchen essen. Kennen wir aus anderen Kontexten. Es ist in unserer Verantwortung.
Wenn du mich fragst, was ist das wichtigste davon?, hast du vielleicht schon an meiner Betontheit gemerkt, es ist immer das, wo man selber handeln kann.
Wenn du Wissenschaftlerin bist, dann bitte forsche und teile diese Erkenntnisse mit der Welt. Total wichtig.
Wenn du ein Mann bist, der Events organisiert, dann sei sensibel für deine unbewusste Bevorzugung. Wenn du Frau bist, übrigens auch, denn die haben wir in anderen Domains genauso.
Wenn du Frau bist, dann kann ich nur sagen: Los geht's! Lass uns auf die Bühne gehen!
Jetzt wirst du vielleicht sagen, wenn du Frau bist: Ganz ehrlich, Steffi, das will ich gar nicht.
Ha! Da wirds total interessant, finde ich. Weil die Möglichkeit, die kommt in unseren Köpfen einfach oft noch nicht vor.
Der 1. Schritt ist tatsächlich, diese Möglichkeit in meinem eigenen Kopf zuzulassen und zu sagen: Hey, ich kann mir das theoretisch vorstellen, dass meine Freundin oder Bekannte oder die Kollegin oder ich selber mal auf so einer Bühne steht. Einfach diese Vorstellung überhaupt in den Kopf reinzubekommen, macht das für unser Gehirn schon mal reell. Dieses „Ich will das gar nicht“ erlebe ich oft, ist ein Ausdruck, diese Möglichkeit war noch nie in meinem Kopf da.
Ich glaube, darum geht’s, dass man diese Möglichkeiten vorlebt.
Ich kann dir dieses Rezept von erstens, zweitens, drittens nicht geben. Ich weiß aber, was auch helfen kann, nämlich nicht darauf zu warten, dass man gut genug ist, um dahin zu gehen.
Ich bin es nicht, vermute ich und ich gehe da jetzt trotzdem los. Es geht schon gar nicht darum perfekt zu sein. Das ist sicherlich ein Riesenhinderungsgrund für uns Frauen noch auf der eigenen Seite. Dieser Wunsch, dass alles schön zu machen, harmonisch zu machen etc.
Sondern es geht vielmehr darum mit dem eigenen Thema, mit der eigenen Vision, mit dem, was mir wichtig ist, rauszugehen, loszugehen, sichtbar zu werden, darüber zu reden und zwar immer wieder darüber zu reden.
Was mir bei all dem noch wichtig ist, ich glaube nicht, dass die Lösung ist, eins zu eins das zu kopieren, was bisher für 70 Prozent der Männer funktioniert hat, sondern es geht darum einen ganz eigenen und manchmal auch einen ganz eigenen weiblichen Weg zu finden, wie man so eine Bühne bespielen kann, wie man so eine Bühne betreten kann.
Eine Möglichkeit davon ist, was ganz viel natürlich schon genutzt wird, dass man auf Plattformen geht, die nur für Frauen gemacht sind. TED Women zum Beispiel oder solche regionalen Verbände, die sich nur an Frauen richten und wo man dort redet. Digital Media Women oder sowas. Das sind einfach Möglichkeiten.
Ich verlinke dir ein paar in den Shownotes, wo du einfach nochmal gucken kannst, was gibt es denn schon? Wo wäre eine Bühne für mich?
Ich glaube, dass auf so eine Bühne zu gehen, das Sicherheitsbedürfnis für uns Frauen teilweise befriedigt. Auch dort sollten wir nicht stehenbleiben denke ich. Als Übungsbühne ist das ideal. Mir, in meiner Vision, schwebt aber was anderes vor. Ich will keine Exklusivität von Frauen. Ich will keine Männerbühnen, ich will keine reinen Frauenbühnen.
Ich will Vielfalt, Diversity auf jeglicher Ebene. Es gibt für mich einen Grund, das ist ein Motiv von mir in meinem Leben, warum ich mit dem Mann verheiratet bin und mit dem Mann Kinder habe, mit dem ich das gerade habe.
Eins, was noch tiefer geht von Anziehung und Liebe und so. Da habe ich für mich entdeckt, da geht es um mehr, da geht es um Vereinigung von Gegensätzen, von Dinge zusammenbringen, die für viele Jahrhunderte getrennt waren. Wir sind ein binationales oder interkulturelles Team könnte man fast sagen.
Mein Mann kommt aus Kuba. Er ist dunkelhäutig, hat ganz andere Haare und ganz andere Haarbeschaffenheit auch. Bei uns in der Familie mit den Kindern sieht jeder anders aus, jeder hat einen anderen Hautton, jeder hat eine andere Haarfarbe, jeder hat eine andere Haarbeschaffenheit.
Ich merke, das ist auch ein Stück Ausdruck von dem, was ich gerne möchte, von dieser Vielfalt in ganz unterschiedlichsten Kontexten des Lebens. Das ist mein Motiv, warum ich heute mit dir darüber rede.
Ich habe leider noch keine Lösung. Ich weiß nur, es ist Zeit, dass dieses Mythos von männlich, weiß und heterosexuell auf den Bühnen aufhören darf. Dazu zählt auch, womit ich jetzt beginne, rauszugehen, zu sagen:
Es braucht mehr Frauen auf den großen Bühnen.
Wir brauchen nicht darauf warten, dass wir da aufgerufen werden im Sinne von einem Sportunterricht, wo uns mal jemand ruft. Sondern wir müssen einfach selber auf diese Bühne draufgehen und sagen: Hier bin ich, wir müssen den Mund aufmachen.
Ich weiß nicht, was der Weg ist.
Ich weiß nicht, was der kürzeste Weg ist.
Noch nicht. Vielleicht willst du es mit mir gemeinsam herausfinden, vielleicht willst du hier selber dranbleiben. Vielleicht hast du Ideen.
Wir können uns dazu austauschen. Das würde mich total freuen.
Vielleicht heißt die Lösung: selber Rednernächte aufziehen. Was mir jetzt im Kopf schwebt, ich will keine Rednerinnennächte, ich möchte gemischte Diversity-, Vielfaltsnächte haben.
Aber es ist ein Prozess.
Was ich gemacht habe? Ich habe mich jetzt einfach mal getraut mit diesem Thema, wo ich noch nicht das Nonplusultra oder die super Lösung gefunden habe, rauszugehen.
Ich freue mich total über dein Feedback. Was denkst du? Wie siehst du das? Lass uns darüber reden, lass uns darüber auch gerne diskutieren und unterschiedlicher Meinung sein.
Habe vielen Dank, dass du hier reingehört hast.
Ich wünsche dir, dass du, egal ob du Mann oder Frau bist, ob du groß oder klein bist, introvertiert oder extrovertiert, egal welche Haarfarbe du hast, egal welche Hautfarbe du hast, egal wie du präsentieren magst, dass du es tust.
Also zeig dich und sprich!
Tschüss!
Was denkst du?