Lampenfieber wollen wir meist loswerden. Hier aber lade ich dich ein, dein Mindset dazu zu überdenken. Ich zeige dir, dass eine wichtige Kraft in deinem Lampenfieber steckt.
Die Kraft der Verletzlichkeit. Sie ist der Schlüssel, um Menschen zu bewegen. Ich möchte dir zeigen, dass ein pochendes Herz etwas Positives ist. Und dass du es mehr gebrauchen kannst für deinen Auftritt als eine gut polierte Ritterrüstung.
Zu Beginn diesen Jahres muss ich dir ein Geständnis machen: Ich bin jemand, der sich sehr gern sehr intensiv vorbereitet. Das heißt nicht unbedingt, dass ich stundenlang am Schreibtisch sitze, aber ich lasse die Dinge, bevor ich sie in die Welt trage, gern in mir reifen. Ich merke dann, dass in mir meine Gedanken wie ein guter Wein gären. Sie brauchen Zeit, um sich zu einer stimmigen Struktur zusammen zu finden. Erst dann gehe ich gern mit meinen Worten raus in die Welt.
Nun hab ich mir in den letzten Wochen absolute Freizeit mit Familie und Kindern gegönnt. Daher musste ich diese Folge und diesen Blogartikel in einem recht schnellen Prozess entwickeln, zumindest wenn ich sie dir pünktlich liefern will.
Einerseits steht da also meine Bedürfnis nach gut gegärtem Wein. Andererseits der nach regelmäßiger Veröffentlichung.
Wenn ich nun also einmal einen schnellen Entwicklungsprozess gehe und meine Gedanken dann schon in die Welt raussende. Was passiert dann?
Nun: ich fühle mich damit sinnbildlich gesprochen nackt. Denn meine sichere Struktur ist weg. Ich fühl mich verletzlich.
Das passt thematisch. Hier geht es nämlich heute um Verletzlichkeit, die wir empfinden können, sobald wir öffentlich sprechen, uns sichtbar machen, etwas von uns zeigen und auftreten.
Dieser Artikel/ diese Folge ist Teil eines Prozesses, durch den ich dich als Hörer/ Leser in den nächsten Monaten führen mag. Ein Prozess, wo du entweder das Thema öffentlich Sprechen für dich jetzt angehst, oder wo du selbst noch mal bewusster deine Auftrittsstrategien und Sprechmomente erlebst. Je nachdem, wo du stehst.
Deswegen gibt es thematische Schwerpunkte: wir steigern uns von Innen nach Außen. Der Weg beginnt beim Mindset über das subtile Machtmittel Stimme hin zum lebendigen Geschichten erzählen. Soweit meine Zukunftsplanung für das erste halbe Jahr. Diese Folge ist Teil des ersten Abschnitts rund um ein entspanntes Mindset bei Lampenfieber und für den Auftritt.
Zunächst wollte ich diese Folge mit Lampenfieber übertiteln. Das wäre rein SEO-technisch wahrscheinlich klüger gewesen.
Lampenfieber ist auch der Ausgangspunkt. Der Kern ist es nicht.
Lampenfieber ist für die meisten ja etwas negatives. Egal, wie du es nennst: Auftrittsangst, Nervosität, Schiss haben … In der Regel will man das weghaben.
Doch warum eigentlich? Was passiert da in uns?
Das ist das eigentlich Störende. Unsere Bewertung und die körperliche Reaktion darauf. Die Situation selbst ist es nicht.
Wenn wir die Situation innerlich mit dem Etikett „Gefahr“ betiteln – dann reagiert unser Körper mit Angst. Und Lampenfieber ist nichts anderes als Angst (in verschiedenen Ausprägungen).
Daher die körperliche innere Aufrüstung mit erhöhter Reaktionsbereitschaft.
Dein Herz schlägt schneller. Die Atemfrequenz steigt. Deine großen Muskelgruppen werden besser durchblutet.
Das alles macht, das man gut wegrennen kann. Wenn wir jetzt aber nicht rennen oder kämpfen. Das ist es doof, denn dann ist zu viel Energie in Form von Adrenalin im Körper vorhanden.
Bei Lampenfieber steht der Körper unter Alarmbereitschaft. Es heißt dann: fight oder flight. Renn weg oder kämpfe.
Das Wort Angst kommt vom indogermanischen „anhu“, was beengend bedeutet. Dies kann man auch im Körper erkennen: Der Atem kann nicht fließen, da der Brustkorb eng wird. Die Stimme kann nicht gut tönen, da die Kehle zu macht.
Tief in uns wollen wir einfach nur geliebt werden. Vielleicht drückt das nicht jeder so aus, doch ein menschlisches Grundbedürfnis ist Zugehörigkeit. Das macht stammesgeschichtlich Sinn: wer nicht dazu gehört hat, dem war das Überleben nicht gewiss.
Daher gibt es in unseren Gehirnen ein Programm: Die Angst vor Ablehnung. Ablehnung tut nämlich körperlich weh. Und das wollen wir natürlich vermeiden, auch wenn die Gefahr bei einem Auftritt nicht mit der eines Wolfes vergleichbar ist. Für unser Gehirn macht das keinen großen Unterschied.
In diesem Artikel erklärt Monika Birkner eindrucksvoll, wie Ablehnung Schmerz erzeugt, aber auch, was wir als Selbstständige tun können. Ich finde ihn sehr spannend.
Gleichzeitig ist das derzeitige Ideal in aller Munde: Verlass deine Komfortzone. Tu einfach! Geh raus auf die Bühne! Du musst Videos machen! Mach deinen Podcast! Zeig dich! (Hey sorry, ja, auch ich sage das.)
Und aus seiner Komfortzone rauszukommen ist im Kern auch sinnvoll, denn nur dann passiert Lernen.
Eine Komfortzone ist übrigens der Bereich, in dem wir uns sicher fühlen. Sie ist eine Situation, die wir kennen und gewohnt sind. Das erklärt auch, dass jeder seine persönlichen Komfortzonen hat und was für den einen Wohlfühlcharakter hat, ist für andere ein Graus.
Dieses Paket aus Angst vor Ablehnung (und anderen Gefühlen) gepaart mit dem Elan Loszulegen, das alles bringen wir mit in die Bühnensituation – egal ob es darum geht, dass du einen Podcast in die Welt sendest oder ob du einen klassischen Vortrag hälst.
Was dann passiert, das ist das Tragische daran.
Wir rüsten innerlich auf. Wir setzen eine Maske auf, wo man uns die Angst vor Ablehung nicht ansieht und mit der wir uns raustrauen. Letzlich legen wir eine Rüstung an.
Natürlich ist das nur ein Bild.
All das tun wir, um eines nicht zu spüren: unsere Verletzlichkeit.
Wir betäuben damit aber auch unsere Kreativität, Spontanität, Freude und die Liebe. Alles Qualitäten, die uns dann auf der Bühne nicht mehr zur Verfügung stehen.
Diese Gedanken kommen nicht von mir, auch wenn ich sie verinnerlicht habe. Sie stammen von einer Frau, die mich in den vergangenen Jahren sehr inspiriert hat: Brene Brown.
Sie sagt: Verletzlichkeit ist der Schlüssel.
Warum bring ich das Thema hier?
Verletzlichkeit ist etwas, was wir überhaupt nicht wollen. Nicht in Auftrittssituationen. Ich will das nicht.
Andererseits bietet Verletzlichkeit eine unglaubliche Chance.
Denn, wenn wir Menschen wirklich von Herzen berühren wollen, dann müssen wir Zugang zu unserem eigenen Herzen haben.
Unsere Verletzlichkeit wegzudrängen, ist somit kontraproduktiv. Lampenfieber wegzudrängen ist kontraproduktiv. Denn du schneidest einen Teil von dir ab. Ganz klar den nervösen Teil. Die Maske, deine Rüstung bleibt.
Das ist leer, hohl und dein Publikum wird viel mehr Mühe haben, mit dir in Resonanz zu gehen.
Ohne Zweifel gibt es da draußen eine Menge Leute, die mit ihrer Rüstung beeindrucken. Man kann eine ganze Weile eingebaute Witze und Pointen immer an derselben Stelle bringen – es gibt viele Beispiele für diese Art der blendenden Performance. Aber das ist Entertainment. Das ist Show. Wenn du Beziehung willst, dann zeig dich als Mensch, nicht als – perfekte – Rolle.
Was wäre, wenn du einfach auf deiner Bühne stehst und dein pochende Herz spürst?
Diese Rüstung ziehen wir selten bewusst an. Wenn du sie bei dir erkennst, dann kannst du sie aber bewusst ausziehen:
Abrüsten auf der Bühne heißt: Verletzlichkeit zulassen.
Brene Brown sagt: fasse Mut. Sie benutzt das englische Wort „courage“ dafür und betont die Wortherkunft vom lateinischen „cor“. Cor steht für Herz. Und Brown sagt: Fass dir ein Herz und zeig dich damit.
Lösungen, die sie anbietet:
Oft wollen wir unser Lampenfieber auflösen und am liebsten nichts mehr an Aufregung spüren. Wir setzen Masken auf und ziehen Ritterrüstungen des Entertainments oder der Sachlichkeit an.
Doch gerade unser Lampenfieber weist auf unsere Verletzlichkeit hin. Diese ist eine wunderbare Quelle für mehr Lebendigkeit für deinen Auftritt und den Aufbau einer wirklichen Beziehung zu deinem Publikum.
Daher möchte ich deine Verletzlichkeit und den Bezug zu deinem Herzen über alles stellen, was in den kommenden Wochen an Tipps und Tricks kommt. Sie wären hohl und leer, wenn dein Herz und du als Mensch darin nicht fassbar werden.
Mein Tipp diese Woche kommt wieder von meinem Körpertherapielehrer Rakesh. Der hat mir immer wieder gesagt: Tu, worin du nicht so gut bist.
Wenn du also nicht so gut bist im unvorbereiteten Sprechen. Dann tu mehr davon.
Zum Schluss möchte ich dich noch einladen. Mach bei meinem Mitmach-Podcast mit. Es ist gratis und für dich eine weitere Bühne, wo du sprechen kannst. Also zeig dich und sprich!
Deine Steffi
Susanne
Steffi Schwarzack
das freut mich, von dir zu lesen! Schön, dass auch du als Angestellte etwas mitnehmen kannst. Herzlich, Steffi
Was denkst du?